"Volkskultur"

In Urkunden, Stifterbild und barocken Apotheosen verewigt, gehen geistliche und weltliche Herren als Kulturträger in die Geschichte ein. Anonym dagegen sind weitgehend Kulturleistungen der »Untertanen", obwohl nach oft einmaligem Aufwand der Stifter meist sie es sind, die durch Abgaben und Eigenleistungen die Weiter-Existenz zum Beispiel der Kirchen und Kapellen ermöglicht haben. Selten finden sich bäuerliche Stifter namentlich genannt, etwa unter den gemalten Heiligen in der Frickinger Weingartenkapelle (um 1600), als Erbauer von Weg- oder Hofkapellen und Bildstöcken.

Votivbilder, meist schlichte Zeugnisse von Alltagsnöten und Heilserwartung des »kleinen Mannes", sind der Inbegriff von Volkskunst. Wegen vermeintlicher Naivität sind sie durch Sammlerinteressen und Diebstahl gefährdet und nur noch selten »vor Ort" zu finden, wie in Ramsberg oder Sipplingen, sondern in Museen in Tettnang und Überlingen. Dezimiert sind die volkstümlichen Skulpturen in Wendlingen und Betznau, doch finden sich immer wieder in kleineren Kirchen ihre anrührenden Figuren.

Ist Volkskunst in sich regional kaum differenziert, zeigt sich an der beständigsten Gattung der Volkskultur, dem Bauernhaus, die ursprüngliche politische Teilung des Kreises an der Existenz zweier unterschiedlicher Hauslandschaften, deren Grenze etwa entlang der Schussen verläuft. So ist das historische Bauernhaus im Linzgau der zweigeschossige Fachwerkbau wie in exemplarischer Vielfalt in Bermatingen erhalten. Der des östlichen Kreisgebietes, wenn auch nur noch in wenigen Beispielen - in Notzenhaus und Rappertsweiler - nachweisbar, ist der eingeschossige Vollholzbau. Beide gehören dem Typus des quergeteilten Einhauses an, bei dem Wohn- und Ökonomieteile unter einem Dach liegen. Um diese Häuser gruppieren sich in oft schönen Ensembles Back- und Waschhäuser, Speicher und Ausgedingehäuser. In ihrer Mitte bewahren sie als Zeugnisse örtlicher Selbstverwaltung Rathäuser, einen schmuckreichen Fachwerkbau in Bermatingen (1745), einen mächtigen Bau der Spätrenaissance in Sipplingen.