Der Entwurf des Bauabschnittes 2 beschreibt die Jury als „Antithese zu dem bestehenden Verwaltungsgebäude Albrechtstraße 77: Die einzelnen Kuben nehmen die Körnung der benachbarten Wohnbebauung auf und transponieren (…) das große Volumen des Bauabschnittes 2 in einen kleinteiligen Maßstab“. Das als Holzbau konzipierte Gebäude bietet „eine niederschwellige bürgernahe Zugangssituation“, kurze interne Wege und Dachgärten mit hoher Aufenthaltsqualität.

Das Fazit der Jury: „Die Arbeit stellt mit ihrer überraschenden Konzeption ein positives Beispiel für ein offenes und bürgernahes Verwaltungsgebäude dar, das durch die flexible Büroraumnutzung eine hohe Nutzerzufriedenheit erwarten lässt und neben den zeitgemäßen Aspekten der Nachhaltigkeit auch die Frage nach den ‘neuen Arbeitswelten’ beantwortet“.

Für den Bauabschnitt 1 ist jedoch der Entwurf 1003 des 3. Preisträgers als Favorit bestimmt worden.

Architektur-Impressionen

Modell-Ansichten

Gegliederte Verwaltungslandschaft
Die Frage nach einem zeitgemäßen Verwaltungsbau des Bodenseekreises muss sowohl ein modernes Arbeitsplatzkonzept wie auch eine offene, bürgerfreundliche Atmosphäre zur Antwort haben. Die exponierte Lage am östlichen Friedrichshafener Ortseingang sollte dabei nicht zu einer auftrumpfenden Baumasse verleiten. Ein weiterer Hochpunkt würde die durch das vorhandene, fremdartig wirkende Hochhaus merkwürdig untypische städtebauliche Situation noch verschärfen. Demgegenüber sollte der Neubau kleinteilig dem menschlichen Maßstab angemessen und vielfältig sein. Dabei muss er nicht auf eine markante Gesamtwirkung verzichten. Lebendig angeordnete und höhengestaffelte Gebäudemodule orientieren sich maßstäblich eher an der Wohnbebauung und wachsen zu einer Gesamtfigur zusammen, deren Erscheinungsbild aufgrund der Modularität nie rudimentär wirkt, unabhängig von den einzelnen Realisierungsstufen. Wir schlagen eine kleinkörnige, durchlässige Baustruktur vor, die sich mit dem äußeren Kontext verzahnt und im Inneren überschaubare Arbeitsbereiche bereitstellt. Es entstehen vielfältige Versprünge, Stufungen, Wechsel von Innen- und Außenräumen und begrünten Flächen auf unterschiedlichen Ebenen. Die Atmosphäre ist offen und transparent, Gebäude und Grün durchdringen sich gegenseitig. Es entsteht der Eindruck einer Gebäudelandschaft für die Bürger - eine konfliktfreie Antithese zum bestehenden Hochhaus - die eine Bereicherung der Gesamtsituation darstellt. Die Gebäude lassen Blickachsen für die Hinterlieger frei und bleiben unter der Hochhausgrenze.

Bauabschnitte
Im ersten Bauabschnitt werden auf einer mehrgeschossigen Tiefgarage die Nutzungen für Wohnungen, Kita und Leitstelle gebaut. Der zweite Bauabschnitt fügt sich neben den Bestandsbau Glärnischstraße 1-3 und verbindet sich zu allen Seiten mit der Umgebung. Die Nutzbarkeit des Bestandsgebäudes Glärnischstraße 1-3 bleibt vollumfänglich erhalten, nur die Hausmeisterwohnung entfällt. Bauabschnitt drei und vier lassen sich nach dem gleichen Prinzip des Bauabschnitts zwei Richtung Westen erweitern. Das bestehende Parkdeck bleibt erhalten. Das Modulsystem erlaubt gleichzeitig eine große Flexibilität der zukünftigen Entwicklung der weiteren Bauabschnitte, die vor allem mittel- und langfristig geplant sind, sodass Flexibilität bei zukünftigen Planungsänderungen innerhalb der kohärenten Bebauungsstruktur Hand in Hand gehen können. Ebenfalls bietet sich eine spätere direkte Verbindung der weiteren Bauabschnitte mit dem Landratsamt an, ohne dies zwingend zu erfordern.

Freiflächen Landratsamt
Die geschickte Anordnung der Neubauten schafft spannende und Abwechslungsreiche Aufweitungen und Eingangszonen und gibt die wichtigen räumlichen Vernetzungen und Verbindungen am Standort vor. Durch die gezielten Baukörperversätze werden die Außenräume und Fußgängerbereiche neu geordnet und der Stadtraum aufgewertet. Mit einer einheitlichen Gestaltungskonzeption und Materialwahl werden öffentliche Gehwegflächen, Anschlussflächen, Eingangsbereiche und die Bushaltestelle zu einem öffentlichen und gemeinschaftlichen Stadtboden einheitlich und großflächig zusammengefasst. Ein homogener Platzbelag aus wasserdurchlässigem Asphalt mit Abstreumaterial aus Kalksteinsplitt legt sich ruhig vor die Baukörper und bringt sie teppichartig zu einem Ensemble zusammen. Durch das Vor- und Zurückspringen „atmet“ die Gebäudestruktur gegenüber den umgebenden Straßenräumen. Je nach Anforderungen werden tiefere oder schmalere Grün- und Freiflächen gegenüber den Verkehrsräumen angeboten. Hierbei kann in Teilbereichen der ortsbildprägende Baumbestand in das Gestaltungskonzept integriert werden. Bewusste Ergänzung von mehrstämmigen Baumgruppen und locker angeordneten Stauden- und Gehölzpflanzungen sorgen für beschattete Wege und Eingangszonen sowie eine angemessene Durchgrünung zur landschaftlichen Umgebung und zum Stadteingang. Mit der Hauptzufahrt und der Lage des Parkhauses im 1. BA ist eine gute Verkehrsanbindung ermöglicht und die Orientierung für Besucher und Mitarbeiter zielgerichtet vorgegeben. Kernelement des Erschließungskonzeptes ist ein in Nord-Südrichtung breiter Freiraumkorridor, der den Neubau zur Glärnischstraße bis hin zur Zeppelinstraße und der Bushaltestelle verbindet. Der öffentliche Charakter der Freiflächen und seiner Durchwegung entspricht dem formulierten Anspruch der Transparenz und Bürgernähe und garantiert darüber hinaus eine barrierefreie Anbindung an den ÖPNV. Bei der Entwicklung des neuen Quartiers sollen alle Aspekte einer nachhaltigen umwelt- und flächenschonenden Bauweise beachtet werden. Dachbegrünungen sorgen für ein ausgeglichenes Quartiers- und Gebäudeklima. Durch ein intelligentes Niederschlagswassermanagement sollen eingetragene Niederschläge auf den begrünten Dächern und Innenhöfen in Zisternen gespeichert und der Nutzung beispielsweise für die Toilettenspülung zugeführt werden. Die durchgrünten Innenhöfe sorgen für ein gesundes Mikroklima und schaffen Aufenthaltsqualität und ein freundliches Arbeitsumfeld.

Freiflächen Wohnbau & Kita
Der Entwurf für Wohnen und Kita im 1. BA sichert einen geschützten Spiel- und Freibereich zum großen Feldflur. Die Vorbereiche der Gruppenräume sind als Bewegungszonen zum Rennen und Toben bewusst von Einbauten freigehalten und als große gemeinschaftliche Terrasse in Form eines Holzdecks zusammengefasst. Im Kontrast hierzu entstehen im großzügigen Gartenraum kleine befestigte Platzflächen – `play grounds` - Versteckzonen und Rückzugsorte, die je nach Altersstufe und Gruppenprogramm individuell genutzt werden können. Neben den aktiven Spielangeboten im Bereich der Sandfläche, der Rutsche oder des Kletterspielgerätes ergänzen ein Gemüse- und Beerengarten, ein Matsch- und Kiesbereich das Angebot zum individuellen Spielen und Entdecken der Natur. Mit dem Abrücken der Baukörper von Wohnen und Kita vom direkten Feld kann der ökologische wichtige Saumbereich und neue Ortsrand mit einem gestuften und artenreichen Gehölzgürtel und einer vorgelagerten Kraut- und Strauchzone abgestuft aufgebaut werden.

Erschließung
Das neue Landratsamt ist von allen vier Himmelsrichtungen gut erschlossen. Haupteingänge führen sowohl von Norden nahe der Tiefgarage als auch von Süden von der Bushaltestelle direkt ins Foyer. Aber auch von Osten beim Übergang zum Hochhaus als auch beim Übergang zu den Bauabschnitten drei und vier befinden sich Eingänge. Auf diese Wiese ist das in Herzen des Erdgeschosses liegende kreuzförmige Foyer zentral erschlossen und nach allen Seiten hin transparent und durchlässig. Die Anlieferung erfolgt von Nord-Osten direkt in das Gebäude und mit Anschluss an einen Warenlift. Autostellplätze sind in der Tiefgarage im 1. BA vorgesehen, sowie als Tiefgarage im BA 3-4. Das bestehende Parkdeck bleibt erhalten und soll als Fahrradstellplätze umgenutzt werden, weitere Fahrradstellplätze befinden sich in der Nähe der Gebäudeeingänge.

Struktur
Das Grundprinzip der aus modularen Elementen zusammen gesetzten Struktur ist einfach: ein Karree aus acht Modulen mit vier Erschließungskernen bildet die Grundstruktur, leicht zueinander verschoben um sich dem Baufeld anzupassen und besser mit der Umgebung zu verbinden. Diese Grundkonstellation stellt auch die Erschließungslogik dar, über die Treppenkerne können jeweils ca. 400 m² große Büroeinheiten mit mind. zwei unabhängigen Fluchtwegen erschlossen werden. Weitere Module als Add-ons erlauben flexible Erweiterungen dieser Grundstruktur, die frei an diese angedockt werden können, um sich besser mit der Umgebung zu verzahnen und weitere Büroflächen an die gegebene Erschließungsstruktur anhängen können. In der Höhenentwicklung entsteht so ein vielseitiges, einfach zu begreifendes Raumsystem mit vielfältigen Außenflächen, Terrassen, durchgrünten Freiflächen als durchlässige Bebauungsstruktur am Ufer des Bodensees.

Nutzungsverteilung
Im Erdgeschoss befindet sich das zentrale Foyer mit dem Bürger-Service, durch den Geländeversatz der Topographie befindet sich die Anlieferung im Nord-Osten im ersten Obergeschoss. Das Normalgeschoss ist in Bürozonen gegliedert und über die vier Erschließungskerne erschlossen, einer davon als Haupttreppenhaus mit Besucherwartebereichen auf jedem Geschoss. Das Restaurant befindet sich im 4. Obergeschoss und verfügt über Pausenterrassen mit Blick auf den Bodensee. Nach oben hin wird die Nutzungsstruktur aufgelockert, die Erschließungsstruktur über die vier Kerne jedoch durchgehalten. Grüne Außenbereiche, begrünte Dachflächen und Terrassen ermöglichen einen durchlässigen Arbeitsplatz mit schönen Ausblicken zum See.

Nachhaltiger Holzbau
Die Tragstruktur ist als modularer Holzbau angedacht, nachhaltig, flexibel und wandelbar. Die Fassaden sollen den Ausdruck des Holzbaus nach außen tragen. Die modulare Logik des Städtebaus setzt sich im Aufbau der Tragstruktur fort: Jedes Gundmodul mit Abmessungen von 13,5 x 13,5 m ist aus mehreren modularen Bauelementen aufgebaut, die sich im gesamten Gebäude wiederholen und so aufgrund des hohen Wiederholungsfaktors bauwirtschaftliche Vorteile bringen. Hohlkastendecken mit moderaten Spannweiten, Unterzüge und Innenstützen sind so angeordnet, dass ideale Voraussetzungen für Büroraumtiefen und Korridorzonen entstehen können, im Einklang mit der Haustechnikverteilung. Zusammen mit einem durchdachten Energiekonzept, Einsatz von erneuerbaren Energien, Dachbegrünung und Durchlässigkeit des Grundstücks sowie angenehmen und komfortable Arbeitsplätzen verspricht das Landratsamt eine Vorbildrolle in Sachen Nachhaltigkeit einzunehmen. Nachhaltigkeit beginnt schon beim Städtebau. Eine robuste, wandelbare, aus erneuerbaren Rohstoffen errichtete, durchlässige und sich mit dem Kontext verbindende Struktur verspricht einen idealen Rahmen für eine langfristig nachhaltige und zukunftsgewandte Bebauung. Viele arbeitsplatznahe Grün- und Außenflächen, sowie gute Tageslichtausbeute und natürliche Belüftung aller Arbeitsplätze sorgen für optimale Frischluftversorgung und gesunde Arbeitsplätze.

2. Bauabschnitt: Verwaltungsgebäude
Das Gebäude sieht sich als Antithese zu dem bestehenden Verwaltungsgebäude (Hochhaus) Albrechtstraße 77: Die einzelnen Kuben nehmen die Körnung der benachbarten Wohnbebauung auf und transponieren durch die flächige Anordnung des strukturellen Rasters und die differenzierte Höhenstaffelung das große Volumen des BA 2 in einen kleinteiligen Maßstab. Hierdurch entsteht eine hohe Eigenständigkeit des Gebäudes, die aufgrund ihrer Maßstäblichkeit eine Nahbarkeit und Bürgernähe vermittelt. Durch die Vor- und Rücksprünge der Kuben wird die städtebauliche Zielsetzung einer prägnanten Abgrenzung zum Straßenraum nicht erreicht. Aufgrund der flächigen Anordnung der Kuben bleiben nur Restflächen für begrünte Freiräume übrig. Auch die Wegeführung zwischen BA 2 und 3 wird der Funktion als Grünzone und Frischluftschneise nicht gerecht. Die symbolhafte Eingangssituation von allen 4 Seiten in das kreuzförmige Foyer lassen eine niederschwellige bürgernahe Zugangssituation entstehen. Die innen-räumliche Nutzung der Halle für die Arbeitsplätze des Bürgeramtes ist jedoch von den funktionalen Aspekten mit Herausforderungen verbunden. Die Erschließung durch die 4 Treppenhäuser lässt kurze Wege in den einzelnen Büroeinheiten zu. Die Flexibilität der Büroräume mit Blick auf unterschiedliche Büroraumkonzepte ist in hohem Maße gegeben. Auch die Belichtung und Belüftung ist als gute Lösung zu werten. Lediglich die Erschließung der obersten Büroräume ist fraglich, auch unter dem Aspekt des zweiten Flucht- und Rettungsweges. Die Dachgärten versprechen eine hohe Aufenthaltsqualität für die Mitarbeitenden. Das konsequent als Holzbau konzipierte Gebäude birgt Herausforderungen unter dem Aspekt des Brandschutzes und der Brandüberschlagsflächen. Die verspringende Hülle des Baukörpers führt zu einem erhöhten A/V-Verhältnis (es liegt im oberen Bereich) und somit auch zu einem erhöhten Energiebedarf. Durch den Lichthof werden die hofseitigen Büroräume nur mäßig belichtet. Ein außenliegender Sonnenschutz sowie opake Fassadenelemente begünstigen das Raumklima sowie die Nachtluftkühlung. Der hohe Anteil nachwachsender Rohstoffe wird durch den modularen Holzbau erreicht. Der nördliche Eingang ist ausschließlich über eine Freitreppe erreichbar und nicht barrierefrei erschlossen. Die Arbeit stellt mit ihrer überraschenden Konzeption ein positives Beispiel für ein offenes und bürgernahes Verwaltungsgebäude dar, das durch die flexible Büroraumnutzung eine hohe Nutzerzufriedenheit erwarten lässt und neben den zeit-gemäßen Aspekten der Nachhaltigkeit auch die Frage nach den „neuen Arbeitswelten“ beantwortet.

1. Bauabschnitt: KITA / Leitstelle / Wohnungen
Der Versuch, die differenten Anforderungen der KITA / Leitstelle / Wohnungen in einem gemeinsamen Gebäude unterzubringen, bringt Probleme in der Erschließung der Wohneinheiten mit sich. Hierdurch entstehen in der Ebene 2 lange dunkle Flure. Durch die zentrale Erschließung in der Mitte der vier Kuben wird das zusammenhängende Raumgefüge einer Kindertagesstätte getrennt. Die Funktionalität lässt Defizite in der Erschließung und Barrierefreiheit erkennen. Die nordseitige Anordnung der Außenspielflächen für die KITA ist ungünstig.

Nach dem Wettbewerb folgte das Bewertungs- und Verhandlungsverfahren, in dem die Preisträger-Entwürfe entsprechend der fachlichen Anforderungen der Jury weiterentwickelt wurden. Das Ergebnis sind die verbindlichen Planungs-Entwürfe auf deren Grundlage Baurecht geschaffen werden soll und die weiteren konkreten Planungen gemacht werden.