Medienkonsum: Zu früh – zuviel – mit oft hochproblematischen Inhalten

Medienkonsum: Risiken erkennen und Kinder schützen zu dieser Thematik lud der Familientreff Grenzenlos zu einem pädagogischen
Abend ein.
Die Leitung des Familientreffs, Frau Sasse vom Kreisjugendamt, begrüßte die Besucher und zeigte Ihnen die Ambivalenz des Themas. Einerseits stellte sie die Bedeutung der Medienwelt: das Fernsehen als Informant und Unterhalter, das Handy als ein wichtiges Kommunikationsmittel, das Internet als „Tür zur Welt“ heraus und andererseits benannte sie die Gefahrenquellen: Kinder sitzen fasziniert vor dem Fernseher, haben Spielkonsolen in ihren Zimmern, Jugendliche befinden sich im Sog von Computerkillerspielen, treffen sich in den Chatrooms und das alles bei steigender Medienflut und steigender Internetkriminalität.
Als Referent konnte sie den Abgeordneter des Landes Baden-Württemberg, Ulrich Müller (CDU), gewinnen, der sich den Fragen der interessierten Zuhörer verschiedener Altersstufen stellte. Sehr deutlich äußerte sich Herr Müller über den Mediengebrauch in Familien. Das Fernsehen wird für Kleinkinder zu früh angestellt, es wird zu viel geschaut und oft haben Medien für Jugendliche einen hochproblematischen Inhalt. Untersuchungen zeigen, dass Zweijährige im Durchschnitt jeden Tag eine Stunde vor dem Bildschirm sitzen, obwohl über die Gehirnforschung längst bekannt ist, dass das Lernen von Sprache in Prozessen von Botschaft, Empfindung und Verknüpfung stattfindet und die Beziehung untereinander, der Dialog, eine bedeutende Rolle dabei spielt.
Kein Kinderfernsehprogramm kann diesen notwendigen Dialog herstellen. Versuche zur Sprachförderung zeigten sehr deutlich, dass das Kleinkind seinen Sprachschatz nicht über das Sprachfernsehen erlernen kann. Gerade in der Kleinkindphase braucht es die Bezugspersonen zur Sprachbildung. Durch fehlenden Austausch steht unseren Kindern immer weniger Sprache zur Verfügung. Das Sprachniveau der Grundschulkinder ist heute um 20-25% gesunken. Das Fernsehen gehört nicht ins Kinderzimmer, es ist nicht geeignet als Babysitter und sollte in seiner Bedeutung als Familienunterhalter keine Hauptrolle einnehmen. Auch die Alternativen konnte Herr Müller benennen:  Es sind die alten „Klassiker“ aus Großmutterszeiten wie das Vorlesen, das Geschichten erzählen,  das Singen und mit seinen Kindern aktiv sein.
Kurz und prägnant nannte Herr Müller folgende Sachzusammenhänge:
Je besser die Geräteausstattung, desto höher der Konsum, je niedriger der Bildungsstand der Eltern, desto mehr sind die Kinderzimmer mit Medien gefüllt,
Jungen sind deutlich besser mit Medien ausgestattet als Mädchen. Sie konsumieren intensiver, haben aber auch in den Schulen größere Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten.
Viele Geräte bedeuten Vielnutzung, hohe Nutzung heißt mehr Konsum an schlechter Qualität, denn Vielnutzen heißt oft auch unkontrolliertes Benutzen.

Der Abstumpfungseffekt verlangt nach neuen Kicks. Die Isolation, die Vereinsamung des mehrstündig Computerspielenden baut sich wie bei einer Sucht langsam auf. Hier sollte der Erziehende nicht nur beobachten sondern auf den Jugendlichen einwirken. Die Computerzeiten sind mit dem Heranwachsenden festzulegen und über Videospiele und Internetzugänge müssen die Eltern als Kontrollinstanz die Übersicht behalten.

Als empfehlenswert hielt der Referent auch, das Gespräch mit anderen Eltern zu suchen. Damit die Freundschaften der Jugendlichen keine Seitenschiene für falschen Medienkonsum bilden können. Die Frage, ob der junge Mensch durch brutale Computerspiele zum Täter wird, wurde in den Besucherreihen kontrovers diskutiert. Labile Jugendliche, die stundenlang am Bildschirm das Töten von Menschen trainieren, sind latent gefährdet, da die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt und der Realitätsverlust durchaus möglich wird. Schreckensbilder von Schlägereien oder verletzende Sexualszenen sind auf Handys von Jugendlichen keine Seltenheit. Sie werden von Handy zu Handy verschickt, damit man sich daran ergötzen kann. So etwas wird „happy slapping“ genannt.
Wohin führen die Wege der ungefilterten Medienflut? Aussagen wie die „Entmenschlichung des Menschen“ und „unser Grundgesetz spricht von der Würde des Menschen“standen im Raum der fragenden Zuhörer.

Hier war der Politiker Ulrich Müller angesprochen. Über alle Parteien hinweg gilt es Möglichkeiten zu suchen, damit die Medienverwahrlosung nicht unbegrenzt stattfinden kann. Ob es Verbote für Killerspiele, Filtermöglichkeiten für Handys oder Kontrollinstanzen für unterschiedliche Medien einzurichten gilt, oder medienpädagogische Spots im Fernsehen laufen, vieles ist denkbar.

In Öffentlichkeitsarbeit müssen Eltern für die Gefahren des unbegrenzten Medienkonsums ihrer Kinder sensibilisiert werden. Das Meinungsbild über notwendige Schutzmaßnahmen muss sich zunächst entwickeln, damit dann die Politik Anlass zum Handeln sieht. Hier gilt es nicht, unsere Medienlandschaft an den Pranger zu stellen, doch Gefahren und Nutzen müssen deutlich sichtbar für den Verbraucher gemacht werden.

Unsere Sorgfaltspflicht gilt besonders den Kindern. Dabei stehen die Eltern in der ersten Verantwortung, den Medienkonsum in ihrer Familie zu regulieren.
Der pädagogische Abend wurde von den Zuhörern allgemein als fruchtbar und informativ empfunden und es wurde der Wunsch nach einer Vertiefung der Thematik geäußert. Der Familientreff „Grenzenlos“ dankte Herrn Ulrich Müller für seinen Vortrag mit praxisbezogenen Hinweisen.