Kooperationsvereinbarung: Bessere Hilfe für Jugendliche mit psychosozialen Problemen

Vertreter von rund 20 Behörden und Einrichtungen haben im Landratsamt gemeinsam mit Landrat Lothar Wölfle eine Kooperationsvereinbarung zugunsten von jungen Menschen mit komplexem psychosozialem Hilfebedarf unterzeichnet. Mit dieser engen und verbindlichen Form der Zusammenarbeit ist der Bodenseekreis deutschlandweit Spitzenreiter in diesem Bereich. Foto: Landratsamt Bodenseekreis

Jetzt ist es besiegelt: Bei der Hilfe für Jugendliche mit psychosozialen Problemen ziehen die Experten und Verantwortlichen im Bodenseekreis künftig noch mehr an einem Strang. Dazu haben sich am Montag (11. Juli 2011) rund 20 Vertreter von Behörden sowie sozialen und medizinischen Einrichtungen vertraglich verpflichtet. Gemeinsam mit Landrat Lothar Wölfle unterzeichneten sie im Landratsamt eine Kooperationsvereinbarung über „Hilfen für junge Menschen aus dem Bodenseekreis mit komplexem psychosozialem Hilfebedarf im Verbund“, kurz JPV.

„Im Kern geht es darum, Kindern und Jugendlichen mit Schwierigkeiten im psychosozialen Bereich eine passgenaue Unterstützung geben zu können“, erklärt der Landrat. Schulen, Arztpraxen, Kliniken, Sozialbehörden und weitere Beteiligte suchen im JPV gemeinsam nach der besten Lösung. „In der Vergangenheit war es zuweilen so, dass die verschiedenen Einrichtungen parallel zueinander gearbeitet haben und teilweise nicht einmal voneinander wussten“, so Wölfle. Netzwerke mit diesem Ansinnen gibt es vereinzelt auch schon andernorts. Das Besondere im Bodenseekreis sei die vertragliche Qualität: „Mit dieser Kooperationsvereinbarung sind wir deutschlandweit Vorreiter in diesem Bereich“, ergänzt Wölfle stolz. Die Vereinbarung zeuge von großem Vertrauen der einzelnen Einrichtungen untereinander. Eigeninteressen beispielsweise im Hinblick auf Patienten- oder Schülerzahlen würden bewusst im Interesse der Betroffenen zurückgestellt, hieß es bei der Unterzeichnung des Papiers im Atrium des Landratsamts.

Im Rahmen des JPV trifft sich einmal im Monat unter Federführung des Kreisjugendamts eine aus Fachleuten bestehende sogenannte Hilfeplankonferenz. Diese berät über ganz konkrete und individuelle Hilfestellung für betroffene Jugendliche und deren Familien. Das sieht dann zum Beispiel so aus: „Bei einem Jugendlichen, der schon mehrere Schulwechsel hinter sich hat und bei dem wenig Hoffnung besteht, dass er allein bis zum einem Ausbildungsabschluss durchhält, arbeiten die Agentur für Arbeit, der behandelnde Kinder- und Jugendpsychiater, Bildungsträger und das Jugendamt gemeinsam daran, ihm solch einen Start ins eigenständige Leben zu ermöglichen“, erläutert Sozialdezernent Andreas Köster. Bereits seit Herbst 2009 arbeiten die Experten und Institutionen mit diesem Ziel zusammen. 49 Einzelfälle wurden seither schon besprochen, für 30 davon wurden individuelle Unterstützungskonzepte erarbeitet, die vorher in dieser Ganzheitlichkeit nicht möglich gewesen wären, erklärt Köster.

„Wenn Jugendliche auf eine schiefe Bahn oder ins gesellschaftliche Abseits zu geraten drohen, gibt es dafür meist nicht nur einen Grund“, machte Landrat Wölfle bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung deutlich. „Psychologische Probleme treten oft in eine Wechselwirkung mit sozialen Schwierigkeiten, so dass die Kinder, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen nicht mehr die innere Festigkeit und den Rückhalt haben, ihr Leben zu meistern“, so Wölfle weiter. Wenn diese Jugendlichen nicht rechtzeitig Hilfe bekämen, würde sich diese Spirale immer weiterdrehen. Schulabbrüche, Arbeitslosigkeit, Vereinsamung und Schlimmeres seien dann häufig die Folge, so die Erfahrungen des Kreisjugendamts.

Dass es im Bodenseekreis nun die JPV-Kooperationsvereinbarung gibt, ist laut Jugendamt ein großer Fortschritt und auch dringend notwendig: „Seit einigen Jahren verzeichnen wir einen verstärkten Anstieg an Beratungs- und Betreuungsanträgen von Familien, die mit psychischen Erkrankungen junger Menschen einhergehen. Etwa die Hälfte dieser Kinder und Jugendlichen befanden sich in fachärztlicher Behandlung“, erklärt Amtsleiter Werner Feiri. Die häufigsten Krankheitsbilder bei den Jugendlichen seien Autismus, Asperger Syndrom, gestörtes Sozialverhalten, Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sowie das Borderline-Syndrom. Auch gebe es oft eine Verbindung mit Depressionen, Suchterkrankungen oder Essstörungen, berichtet Feiri.

Hintergrundinformation:  

Organe des JPV:

  • Arbeitsgemeinschaft (eine Sitzung pro Jahr; sie hat die Aufgabe, die Ziele des Verbundes zu formulieren und weiter zu entwickeln)´
  • Trägergemeinschaft (drei bis vier Sitzungen im Jahr; sie ist das Steuerungsteam des Verbundes und setzt die Ziele um)
  • Hilfeplankonferenz Jugend (einmal monatlich; hier werden die Hilfestellungen für die Familien und deren Kinder und Jugendliche beraten)

Mitglieder der Trägergemeinschaft und Unterzeichner der Kooperationsvereinbarung:

  • Agentur für Arbeit Konstanz
  • Agentur für Arbeit Ravensburg
  • Arkade e.V. Jugendhilfe (JuMeGa)
  • Berufsbildungswerk Adolf Aich gGmbh
  • Caritas Bodensee – Oberschwaben
  • Caritas Linzgau e.V.
  • Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands
  • Evangelischer Kirchenbezirk Ravensburg (Diakonie)
  • Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) gGmbH
  • Kinderheim Kastanienhof
  • Landratsamt Bodenseekreis
  • Linzgau Kinder- und Jugendheim e.V.
  • Niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater des Kreises
    und Kinderärzte mit SPV-Zulassung
  • Rückenwind für Familien
  • Sprecher des Gemeindepsychiatrischen Verbundes
  • St. Gallus Hilfe gGmbH der Stiftung Liebenau
  • St. Lukas Klinik gGmbH der Stiftung Liebenau
  • Staatliches Schulamt Markdorf
  • Synergie Soziale Bildung GbR
  • Zentren für Psychiatrie Südwürttemberg