Über 50-jährige, die länger als ein Jahr lang arbeitslos sind und deshalb Arbeitslosengeld II beziehen, werden im Bodenseekreis durch das Jobcenter des Landratsamts betreut. Und sie sind in guten Händen, wie Landrat Lothar Wölfle am 25. Januar 2013 im Landratsamt Friedrichshafen mitteilte. Seit drei Jahren ist der Landkreis beim Beschäftigungspakt „Perspektive 50plus“ dabei, einem durch den Bund geförderten Programm, mit dem speziell älteren Arbeitslosen bessere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt eröffnet werden sollen. Rund 1.100 Menschen wurden bislang im Rahmen dieses Programms betreut. Etwa 430 haben laut Angaben des Jobcenters dadurch einen festen Arbeitsplatz erhalten.
"Es war eine gute Entscheidung, dass wir vor drei Jahren die Betreuung von Langzeitarbeitslosen als Landkreis selbst in die Hand genommen haben. In dieser Zeit haben wir einer beachtlichen Anzahl Menschen über 50 Jahren in dauerhafte Arbeitsverhältnisse vermitteln und begleiten können. Wenn die Bundesförderung für dieses Projekt in drei Jahren ausläuft, wird unser Jobcenter auf einen großen Erfahrungsschatz bei der Arbeit mit dieser besonderen Zielgruppe zurückgreifen können", so Landrat Wölfle.
Im Jobcenter des Landratsamts werden den Fallmanagern die Kunden nicht etwa der alphabetischen Reihenfolge ihres Namens oder dem Wohnort zugeordnet. „Wir arbeiten zielgruppenorientiert“, erklärt der Landrat. So gebe es bei den Sachbearbeitern und Betreuern Spezialisten für junge Leute, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für Menschen über 50. Hier ist das Verhältnis von Betreuern und Betreuten sogar halb so groß, wie in anderen Bereichen. „Bei uns soll und darf niemand auf der Strecke bleiben. Die Erfahrung der über 50-Jährigen ist für unsere Wirtschaft von großer Bedeutung und wird angesichts des demographischen Wandels noch wichtiger werden“, begründet Wölfle, warum das Landratsamt so viel Augenmerk auf die Zielgruppe 50plus legt.
„Bei vielen Langzeitarbeitslosen ist es oft nicht nur ein Grund, warum es mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht klappt. Was die Fachleute „multiple Vermittlungshemmnisse“ nennen, sind in der Realität oft schicksalhafte Lebenswege: Ein ganzer Rucksack voller schwerer Lebensumstände und Probleme, die ein geregeltes Berufsleben oft nahezu unmöglich machen“, erklärt 50plus-Projektleiter Ludger Baur. Viel Fingerspitzengefühl und die Bearbeitung grundsätzlicher Themen seien hier meist nötig, um diese Negativspirale umzudrehen. „Unsere individuelle Förderung folgt dem Motto "Stärken stärken". In den Beratungen und Coachings wollen wir die Potenziale der Teilnehmer herausarbeiten und ihnen nach einer längeren Phase der Arbeitslosigkeit helfen, die nötige Selbstsicherheit wiederzuerlangen“, so Baur. Dafür organisiert das Landratsamt gemeinsam mit externen Anbietern zum Beispiel Bewerbertrainings für über 50-Jährige. Je nach Bedarf stehen aber auch Schuldner- und Suchtberatung auf dem Programm.
„Weil wir unsere Kunden so gut kennen, können wir sie passgenau an potentielle Arbeitgeber vermitteln“, sagt Nicole Horstmann, Demographieberaterin im Team 50plus. „Für die Einarbeitungszeit könnten sogar Zuschüsse an den Betrieb gezahlt werden, sodass die Wiedereinsteiger in ihrem neuen Job die erforderliche Zeit erhalten um sich zurechtzufinden und somit eine echte Chance auf einen dauerhaften Arbeitsplatz hätten“, erläutert Horstmann.
Horstmann berät zudem kleine und mittlere Unternehmen beim Thema demographischer Wandel. Denn auch Unternehmen und deren Belegschaft werden älter. Darauf müssen sich die Personalverantwortlichen einstellen: „Ältere Menschen lernen und arbeiten anders als jüngere. Sie bringen aber auch viel Lebenserfahrung mit, sodass man nicht sagen kann, dass die einen schlechter und die anderen besser für eine Firma geeignet sind. Das versuche ich vor allem den Personalverantwortlichen in kleinen und mittleren Unternehmen deutlich zu machen“, so Horstmann. „Ich gehe auf die Firmen zu und biete die Demographieberatung an. Oftmals sind die Reaktionen erst mal skeptisch. Aber wenn ich dann frage "Wie sieht Ihre Personalstruktur denn in fünf Jahren aus?", sind wir oft mitten im Thema drin und es folgen interessante Gespräche“, berichtet die Expertin.
Im Januar 2010 ist das Landratsamt Bodenseekreis dem Beschäftigungspakt Südwest im Bundesprogramm Perspektive 50plus beigetreten. Als sogenannte „Optionskommune“ kümmert sich im Bodenseekreis das Jobcenter des Landratsamts um die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Wichtige Säulen des Projekts sind das individuelle Fallmanagement, zielgruppenorientierte Angebote sowie der Arbeitgeberservice. Im Beschäftigungspakt Südwest haben sich mit dem Bodenseekreis neun Grundsicherungsstellen in Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Unterstützt und finanziert wird das Programm Perspektive 50plus durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Rund eine halbe Million Euro Förderung erhält der Landkreis jährlich.