Der Schnee kann kommen: Winterdienst des Bodenseekreises ist einsatzbereit

Straßenprofi Josef Zweifel im Cockpit des neuen Räum-, Sprüh- und Streufahrzeugs. Mit Joystick und mehreren Bedieneinheiten steuert er den Pflug, die Taumittelmischung und den Ausbringungskorridor.
Drehteller (blau) für das Feuchtsalz und Sprühdüsen für die Sole. Bis zu acht Meter breit kann der Streu- und Sprühkorridor sein, also zwei Fahrspuren.
5: Winterdienstbolide: Der Räumpflug ist 3,60 Meter breit. In den blauen Tank befinden sich bis zu 6.000 Liter Sole. Damit wird das Salz befeuchtet und sie kann auch pur gesprüht werden, was besonders effektiv bei drohender Glättebildung ist. Fotos: Landratsamt Bodenseekreis

Von seinen drei Straßenmeistereien in Markdorf, Tettnang und Überlingen aus leistet das Straßenbauamt des Bodenseekreises den Winterdienst für die außerörtlichen Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Für dieses rund 660 Kilometer lange Straßennetz stehen 23 Räum- und Streufahrzeuge zur Verfügung. Das Ziel: Ab 6:00 Uhr morgens sollen die Straßen befahrbar sein. Moderne Technik hilft dabei. Aber auch jeder Autofahrer trägt Verantwortung dafür, dass der Verkehr rollen kann.

Um gegen Schnee und Glätte auf den Straßen im Bodenseekreis anzugehen, stehen den drei Straßenmeistereien des Landkreises insgesamt 23 Einsatzfahrzeuge zur Verfügung. Davon sind zehn kreiseigene Fahrzeuge bei den Straßenmeistereien stationiert und 13 Fahrzeuge sind für den Winterdiensteinsatz bei Fremdunternehmern angemietet.

Mit am Start ist in diesem Jahr erstmals auch ein nagelneues Streu-, Sprüh- und Räumfahrzeug. Der 440 PS starke Dreiachser ist mit sechs Tonnen Salz und 6.000 Litern Sole (Kochsalzlauge) beladen. Zudem ist er mit Technik und Sensoren gespickt, um möglichst effektiv gegen Schnee und Glätte vorgehen zu können. „Unser ‚Neuer‘ kann bei Bedarf auch nur Sole sprühen, um vorsorglich gegen Glättebildung zu arbeiten“, sagt Straßenwärter Josef Zweifel, der den Truck steuert.

Man könnte Zweifel auch einen Piloten nennen, denn in seinem Cockpit gibt es ähnlich viele Hebel und Knöpfe: Mit einen Joystick steuert er den 3,60 Meter breiten Pflug und an zwei Bedieneinheiten justiert er die Taumittelausbringung sowie den bis zu acht Meter breiten Sprüh- und Streukorridor hinter dem Heck des Fahrzeugs. Zwei Fahrspuren können damit bearbeitet werden. Josef Zweifel ist mit seinem Boliden im Wert von rund 400.000 Euro vor allem auf den Bundesstraßen im zentralen Bodenseekreis unterwegs. „Winterdienstfahrzeuge dieser Güteklasse sieht man üblicherweise nur auf Autobahnen“, sagt er stolz. Bis zu 35 Kilometer Straße schafft er damit in einer Stunde, wenn er gut durchkommt. Bei Schnee und dichtem Verkehr wird es weniger.

Alle großen Winterdienstfahrzeuge des Bodenseekreises sind mit einer digitalen Datenerfassungs- und Steuerungstechnik (Telematik) ausgestattet. Mit der eingebauten Elektronik wird die erforderliche Menge des Streumaterials temperatur- und geschwindigkeitsabhängig ausgebracht. Diese Technik gewährleistet den wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Einsatz des Streusalzes, der dem Grundsatz erfolgt „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“.

„Unentbehrlich bleibt aber immer das Können und der Erfahrungsschatz der Fahrer, ohne die auch die beste Technik nicht sinnvoll eingesetzt werden kann“, macht Tobias Gähr, Chef des für den Winterdienst zuständigen Straßenbauamts deutlich. Insgesamt arbeiten im Auftrag des Bodenseekreises etwa 60 Männer im Winterdienst, die in zwei Schichten sowie einem Basisdienst organisiert sind.

Glättebekämpfung mit Feuchtsalz

Die Salzhallen des Landkreises sind aktuell mit 3.000 Tonnen Streusalz gefüllt. Ein Liefervertrag, der die Straßenmeistereien vor Privatkunden bevorrechtigt, soll Lieferengpässe vermeiden, falls der Winter doch länger und härter wird. Die Straßenmeistereien setzen dabei überwiegend die Feuchtsalztechnologie FS 30 ein: Unmittelbar vor dem Ausbringen wird das feste Streusalz mit einer Salzlösung (Sole) auf dem Streuteller gemischt. Das Mischungsverhältnis beträgt 70 Prozent Trockensalz und 30 Prozent Sole. Wenn der neue Winterdienst-Lkw aus Markdorf nur flüssiges Taumittel ausbringt, spricht man von FS 100, also 100 Prozent Sole. Für die Sole wird Natriumchlorid verwendet, also normales Kochsalz. Sie wird in den Straßenmeistereien mit Löseanlagen hergestellt. „Feuchtsalz hat den Vorteil, dass es gut dosiert und verteilt werden kann und es weniger Wehverluste als bei Trockensalz gibt.“ erklärt Tobias Gähr. Das innovative FS-100-Verfahren mit „Sole pur“ ist besonders effektiv bei unmittelbar bevorstehender Glättebildung.

Winterdiensteinsatz ab 3:00 Uhr morgens

Der Winterdienst ist so organisiert, dass im Zeitraum von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr die Befahrbarkeit nach besten Kräften gewährleistet wird. Für die Besatzungen der Winterdienstfahrzeuge bedeutet das: Ausrücken schon um 3:00 Uhr. An Sonn- und Feiertagen geht es gerade mal eine halbe Stunde später los. Die Schicht beginnt aber noch früher: Bereits um 2:00 Uhr in der Nacht gehen die Einsatzleiter auf Kontrollfahrt. Wenn nicht ohnehin gleich klar wird, dass ein Einsatz ausgelöst werden muss, helfen Wetterdaten aus dem Straßenwetterdienst-Informationssystem (SWIS) des Deutschen Wetterdienstes. Außerdem liefern drei Glättemeldeanlagen, die auf dem Höchsten, der B 31 bei Nesselwangen und an der Ortsumfahrung  Kressbronn installiert sind, nützliche Echtzeitinfos.

Der Computer räumt mit

Das Telematik-System in den Streu- und Räumfahrzeugen erfasst in Echtzeit sowohl die jeweilige Position des Fahrzeuges als auch den aktuellen Einsatz. Es werden permanent die Fahrstrecke, die ausgebrachten Streumengen und die Position des Schneepflugs an die Einsatzzentralen in den Straßenmeistereien gefunkt. So können diese dann bei Bedarf steuernd eingreifen und die Einsätze werden lückenlos dokumentiert.

Bei der Routenplanung hilft ein Computerprogramm, das neben der Reichweite der einzelnen Fahrzeuge auch die unterschiedliche Bedeutung der Straßen berücksichtigt. „Bundesstraßen, gefährliche Stellen und Steigungen haben bei uns oberste Priorität. Vor Ort kann aber der Fahrer entscheiden, welche Stelle er zuerst anfährt“, erklärt Amtsleiter Gähr.

Wenn alles gut läuft und es nicht massiv nachschneit, ist das gesamte außerörtliche Straßennetz des Bodenseekreises innerhalb von drei Stunden komplett geräumt und gestreut. Für die Ortsdurchfahrten sind die jeweiligen Städte und Gemeinden zuständig, werden auf den klassifizierten Straßen aber nach Kräften durch den Winterdienst des Kreises unterstützt. Klassifiziert sind Straßen mit einer besonderen Bedeutung für den überörtlichen Verkehr, vor allem also Bundes-, Landes und Kreisstraßen.

Die Natur ist stärker als die beste Vorbereitung

Auch bei bester Vorbereitung und frühzeitigem Einsatzbeginn kann nicht ausgeschlossen werden, dass während eines länger anhaltenden Schneefalles mit einer geschlossenen Schneedecke gerechnet werden muss. Auch kann es immer stellenweise zu Reif- und Eisglätte kommen. Setzt der Schneefall erst während des Berufsverkehrs ein, ist es eine besondere Herausforderung, die Fahrbahnen für den fließenden Verkehr freizubekommen. Denn der rollende Verkehr fährt den Schnee auf der Fahrbahn fest. Zudem kommen die Räumfahrzeuge nur erschwert durch. Eine Garantie auf freie Fahrt kann es für die Autofahrer deshalb nicht geben, macht das Landratsamt klar.

Appell an die Verkehrsteilnehmer

Alle Verkehrsteilnehmer sollten bei Schnee und Eis Vorsicht walten lassen. Eine dem Straßenzustand angepasste Fahrgeschwindigkeit vermindert das Risiko von Unfällen. Auch kommt es immer wieder zu massiven Behinderungen durch Fahrzeuge, die nicht ausreichend für den Winter ausgerüstet sind. Ein wegen schlechter Bereifung liegengebliebener LKW auf der B 31 reicht aus, um dort den kompletten Verkehr zum Erliegen zu bringen. In einem solchen Fall ist auch für die Räumfahrzeuge die Weiterfahrt äußerst schwierig. Daher appelliert Amtsleiter Gähr an alle Autofahrer: „Ermöglichen Sie den Räumfahrzeugen das Durchkommen und treten Sie bei drohendem Schneefall und Eisglätte die Fahrt nur mit entsprechender Winterausrüstung an.“

Hierauf sollten Autofahrer achten:

• Winterreifen mit ausreichend Profil
• Gegebenenfalls Schneeketten
• Funktionsfähige Batterie
• Ausreichend frostsichere Flüssigkeit in der Scheibenwischanlage
• Gute Rundumsicht aus dem Fahrzeug
• Freie Scheinwerfer, Rückleuchten und Blinker.

Zahlen und Daten:

• Länge des zu pflegenden Straßennetzes: 660 Kilometer.
• Mitarbeiter im Winterdienst (inkl. externe Firmen): 60.
• Anzahl der Räumfahrzeuge: 23.
• Kilometerleistung der gesamten Räumflotte während eines durchschnittlichen Winters: rund 140.000 Kilometer.
• Winterdienst auf Radwegen: insgesamt 29 km, Mo. - Fr. 7:00 bis 16:00 Uhr, Fr. bis 13:00 Uhr.
• Reichweite einer Salzladung der Streu- und Räumfahrzeuge: 25 bis 70 Kilometer, je nach Fassungsvermögen der Streugeräte und ausgebrachter Menge pro Kilometer.
• Salzverbräuche der vergangenen Winter: 2014/2015 7.800 l Sole und 4.980 t Streusalz,
2015/2016  4.460 l Sole und 2.840 t Streusalz.
• Kosten des Winterdienstes der Kreis-Straßenmeistereien, je nach Härte und Dauer des Winters: 0,5 bis 1,7 Mio. Euro.
• Neuwert eines voll für den Winterdienst ausgestatteten Spezial-LKW der Straßenmeistereien: rund 300.000 bis 400.000 Euro.
• Preis eines Streuautomaten mit Depotbehälter für einen LKW: 32.000 bis 49.000 Euro.
• Preis eines Schneepflugs/Räumschilds: 16.000 bis 23.000 Euro.