Eine ärztliche Untersuchung, ohne dass Patientinnen und Patienten ihre Wohnung oder das Pflegeheim verlassen müssen. Das ist die Idee hinter der „Televisite“. Seit Dezember 2024 testet das Gesundheitsamt des Bodenseekreises gemeinsam mit mehreren Pflegeeinrichtungen und Hausarztpraxen diese digitale Form der medizinischen Betreuung. Über eine sichere Videoverbindung können Ärztinnen und Ärzte so direkt mit den Menschen sprechen, sich ein genaues Bild vom Gesundheitszustand machen und gemeinsam mit dem Pflegepersonal vor Ort die nötigen Untersuchungen durchführen.
Wie das konkret abläuft, konnte Manfred Lucha (MdL), Minister für Soziales, Gesundheit und Integration von Baden-Württemberg, am 11. August 2025 im Haus der Pflege St. Martin in Friedrichshafen selbst miterleben. Gemeinsam mit Landrat Luca Wilhelm Prayon, den Landtagsabgeordneten und Kreistagsmitgliedern Martin Hahn (MdL) und Klaus Hoher (MdL) sowie Vertreterinnen und Vertretern des Landkreises nahm er an einer Live-Demonstration teil.
Hausarzt Johannes Martin aus Ailingen, der zugleich die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses der Pflege St. Martin betreut, schaltete sich aus seiner Praxis per Video zu. Er sprach mit einem Patienten über dessen Gesundheitszustand und gab den Pflegekräften vor Ort konkrete Anweisungen für die Untersuchungen. Dazu gehörten Messungen wie Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und eine Wunduntersuchung. Die Ergebnisse lagen in Echtzeit vor, sodass unmittelbar eine Behandlungsempfehlung gegeben werden konnte.
Einsatz auch im ambulanten Bereich
Die Televisite wird im Bodenseekreis nicht nur in stationären Einrichtungen erprobt. Auch im ambulanten Bereich kommt eine mobile Version zum Einsatz: Versorgungsassistentinnen und -assistenten im hausärztlichen Dienst (VERAH) nutzen einen kompakten Telemedizin-Koffer mit Geräten wie einem Pocket-EKG. So können sie bei Hausbesuchen direkt mit der Ärztin oder dem Arzt Rücksprache halten, beispielsweise, wenn sich der Gesundheitszustand eines Patienten plötzlich verändert.
„Die Televisite bringt medizinische Expertise genau dorthin, wo sie gebraucht wird – unabhängig von der Entfernung“, sagte Minister Lucha. „Sie ist eine sinnvolle Ergänzung, die Teil der Regelversorgung werden muss und die Ärztinnen und Ärzte spürbar entlastet. Es geht um die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, gerade angesichts vieler unbesetzter Arztsitze.“
Landrat Prayon betonte: „Wir denken in Deutschland viel zu oft in Grenzen, müssen aber vielmehr die Möglichkeiten sehen.“ Er dankte den Pflegekräften und allen Beteiligten, „die dieses Projekt Tag für Tag mit Leben füllen“.
Hintergrund und Ausblick
Das Pilotprojekt wird aktuell vom Gesundheitsamt der Kreisverwaltung in mehreren Gemeinden des Bodenseekreises getestet. Dazu gehören drei stationäre Pflegeeinrichtungen, ein ambulanter Pflegedienst, die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung Bodenseekreis (SAPV) sowie sechs ärztliche Praxen in Meckenbeuren, Kressbronn, Neukirch, Deggenhausertal und Friedrichshafen.
Langfristiges Ziel ist es, die Televisite flächendeckend im gesamten Landkreis zu etablieren. Bürgerinnen und Bürger sollen damit künftig einen schnelleren Zugang zu medizinischen Fachkräften erhalten, während Ärztinnen und Ärzte ohne lange Anfahrtswege effizient auf die Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten reagieren können.
Die Pilotphase läuft derzeit noch bis Ende 2025. Der Bodenseekreis möchte das Förderprojekt für weitere zwei Jahre bis Ende 2027 fortführen. Das Land Baden-Württemberg plant dazu einen neuen Förderaufruf, der eine Verlängerung laufender Projekte ermöglichen soll. Die Fortsetzung soll eine realistische Bewertung des Projekts im Berufsalltag ermöglichen und wichtige Erkenntnisse für eine dauerhafte Integration in die medizinische Versorgung liefern.
Bildinfo: Manfred Lucha (MdL), Minister für Soziales, Gesundheit und Integration von Baden-Württemberg, Landrat Luca Wilhelm Prayon und der Landtagsabgeordnete und Kreistagsmitglied Klaus Hoher beobachten die Live-Untersuchung des Arztes Johannes Martin in seiner Praxis in Ailingen. Foto: Landratsamt Bodenseekreis