In seiner Gouache hält der Überlinger Zeichenlehrer Johann Sebastian Dirr die Freude der Überlinger Bürger über die Ankunft der ersten Erntewagen 1817 nach Missernte, Teuerung und Hunger fest. Der Empfang durch Geistlichkeit, Honoratioren, Bürgermilitär vermittelt uns, wie ungesichert und abhäng vom Wetter die Ernährung, wie abhängig auch die Stadt von der Landwirtschaft, von ihrer ländlichen Umgebung noch ist. Das gilt besonders für Überlingen, neben Lindau in der frühen Neuzeit bis in das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts Hauptausfuhrplatz für das oberschwäbische Getreide in die Schweiz, wovon noch das stattliche Grethaus zeugt. Das endet abrupt, als Eisenbahn und Rheinschiffahrt der Schweiz den billigeren Bezug ihres Getreidebedarfs aus Osteuropa und den USA ermöglichen.
 
Den Bauern bringt das neue Jahrhundert die Befreiung von feudalen Bindungen und Lasten. Doch haben die Linzgaubauern erheblich höhere Ablösungszahlungen zu leisten als ihre württembergischen Nachbarn. Ende des Jahrhunderts geraten Weinbau und Getreideabsatz im Linzgau in die Krise, während die Bauern im Osten des Kreises sich auf Grünlandwirtschaft, Obst- und Hopfenbau umstellen. Ihren Funktionsverlust bewältigen die Städte Überlingen, Meersburg und Tettnang nur mühsam, Überlingen den Verlust reichsstädtischer Rechte und Einnahmen, Tettnang schon 1780 und Meersburg nach 1802 den Verlust der Residenz. Den Rückgang des Getreidehandels in Überlingen gleichen der beginnende Fremdenverkehr und kleinstädtisches Kurleben aus, während Meersburg erst in diesem Jahrhundert Ziel von Touristen wird. Tettnang profitiert Ende des Jahrhunderts von Hopfenbau und -handel.
 
Dem 1811 vom württembergischen König aus Buchhorn und Hofen zusammengefügten Friedrichshafen kommen zwei Verkehrsinnovationen zugute: 1824 das erste Dampfschiff und 1847 der erste Eisenbahnanschluss am See. Steigt zunächst der Güterumschlag in Friedrichshafen kräftig an, so führt bald die Eisenbahn immer mehr Ausflügler und Sommerfrischler in die Stadt, in deren Schloss auch der König den Sommer verbringt.

Verloren die reichsstädtischen »Republiken« ihre politische Autonomie, so gewähren Verfassungen und Gesetze der neuen Staaten allen Bürgern größere politische Mitspracherechte in Gemeinde und Staat. Dies hindert die Seeanwohner nicht 1848/49, die Republik zu fordern, im badischen Seekreis militant, im Oberamt Tettnang in Reden und Zeitungen. Vom Lipbach nach Norden verläuft nun die Landesgrenze zwischen Baden und Württemberg, die schärfer trennt als die Grenzen zwischen den vielen Kleinstaaten vor 1802. 

Ob mit oder ohne Eisenbahnanschluss, die neue Produktionsform, die Industrie hält sich vom See fern, nur wenige kleine Betriebe entstehen. Landwirtschaft und in den Städten Kleingewerbe und -handel bestimmen weiter das Leben am Nordufer, im Sommer aufgelockert durch erste Gäste. In den neuen Ländern liegt der See an der Peripherie, die Uferregion ist aus der Perspektive der neuen Zentren Randgebiet. Die Biedermeierzeit am See dauert bis zu unserem Jahrhundert.