Sanierung sollte vor Neubau gehen. Aus ökologischer Sicht ist das grundsätzlich richtig, aber bei genauerer Betrachtung aller Parameter nicht immer die beste Wahl. Jeder Sanierungsversuch des alten Landratsgebäudes käme einem Neubau gleich und böte doch nicht den erforderlichen Flächengewinn. Deshalb spricht bei der Standortentwicklung des Landratsamtes alles für einen Neubau.

50 Jahre in Betrieb

Das alte grüne Landratsamt in der Glärnischstraße mit seinem charakteristischen y-förmigen Grundriss wurde 1972 fertiggestellt und in Betrieb genommen, also vor knapp einem halben Jahrhundert. Damals entsprach das Gebäude konstruktiv, energetisch und auch organisatorisch den geltenden und anerkannten Regeln der Technik. Das lässt sich nach fünf Jahrzehnten allerdings so nicht mehr sagen. Denn die heutigen Anforderungen, Normen und Vorschriften an Bürogebäude haben sich deutlich verändert und verschärft. Das gilt nicht nur für den Energiebedarf, sondern auch für den Brandschutz, die Arbeitsplatzgestaltung, die Erdbebensicherheit, die Barrierefreiheit und für viele andere Punkte. Auch die verarbeiteten Baustoffe, die Dämmung, die Fenster und die Fassade sowie die Leitungsinstallationen entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand. Es ist also nicht nur der mangelnde Platz, sondern auch die alte Bausubstanz, für die dringend eine Lösung gefunden werden muss.

Eindeutige Analyse

Die Zukunft des Landratsamtes beschäftigt Kreistag und Kreisverwaltung schon seit einigen Jahren. 2012/2013 wird vom Stuttgarter Büro Baurconsult ein umfangreiches Fachgutachten erstellt, das auf knapp 300 Seiten alle wesentlichen Facetten des Bestandsgebäudes analysiert sowie hinsichtlich einer möglichen Sanierung und Erweiterung bewertet hat. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die Sanierung zwar grundsätzlich machbar ist, aber aus planerischer, wirtschaftlicher, organisatorischer und auch ökologischer Sicht nicht sinnvoll ist.

Sanierung heißt Rückkehr zum Rohbau

Das Gutachten macht klar, dass die Sanierung mit der vollständigen Entkernung des Gebäudes gleichzusetzen ist. Fassade, Haustechnik und der komplette Innenausbau müssten komplett ersetzt werden. Zusätzlich wäre das Stahlbeton-Tragwerk wegen der heute geltenden Standards bezüglich Brandschutz, Erdbebensicherheit und Schneelast deutlich zu verstärken. Diese Maßnahmen am Gebäudeskelett sind nicht nur sehr kostspielig, sie reduzieren sogar das vorhandene Raumvolumen. Unter dem Strich, so das Gutachten, wäre die Sanierung so aufwendig wie ein Neubau. Tatsächlich wäre auch die Sanierung ein Neubau, denn vom alten Gebäude bliebe bis auf das Fundament und das Stahlbeton-Skelett nichts erhalten.

Graue Energie

Das Schlagwort „Graue Energie“ fasst all jene Emissionen und Energieverbräuche zusammen, die bei der Herstellung der notwendigen Rohstoffe, der entsprechenden Logistik sowie der Erstellung des Gebäudes vor Ort entstehen. Daher fällt die Bilanz der „Grauen Energie“ bei der Sanierung eines Bestandsgebäudes in der Regel besser aus als bei einem Neubau – sofern ein nennenswerter Anteil der vorhandenen Bausubstanz erhalten werden kann. Der Vorteil reduziert sich, je tiefer der Eingriff in die bestehende Substanz ausfällt. Die radikale Kernsanierung, wie sie beim alten Landratsamts-Gebäude notwendig wäre, unterscheidet sich in Sachen „Grauer Energie“ also kaum von einem Neubau. Statische und sonstige Überraschungen, vor denen sich jeder Bauherr beim „Öffnen“ eines alten Gebäudes fürchtet, kommen möglicherweise sogar noch dazu. Dann würden sich die energetische und wirtschaftliche Bilanz des Sanierungsvorhabens zusätzlich verschlechtern.

Kein Flächengewinn durch Sanierung

Das Gutachten stellt zusätzlich einen ganz wesentlichen Punkt klar. Eine Sanierung würde weder den aktuellen noch den künftigen Raumbedarf der Kreisverwaltung abbilden können. Sprich: Das Grundproblem am Landratsamts-Standort wäre also mit einer Sanierung des alten Gebäudes gar nicht zu lösen. Die Kosten einer Sanierung sieht das Gutachten dennoch auf Neubau-Niveau, unkalkulierbare Risiken unentdeckter Schäden am Tragwerk noch gar nicht eingeschlossen. Genauso wichtig: Eine Sanierung ermöglicht es nur sehr begrenzt, die interne Arbeitsorganisation den heutigen und künftigen Anforderungen an Flexibilität sowie Effektivität anzupassen.

Anbauten hätten zu wenig Potenzial

Geprüft wurde auch, ob Anbauten oder Aufstockungen das Flächendefizit auffangen könnten. Das Gutachten zeigt aber, dass der potenzielle Zugewinn an nutzbarer Bürofläche nicht ausreichen würde. Denn Anbauten kämen mit den Baugrenzen sowie der Nachbarbebauung oder der bestehenden Tiefgarage in Konflikt. Aufstockungen wären baurechtlich und statisch allenfalls bei den eingeschossigen Baukörpern machbar. Anbauten oder Aufstockungen hätten zudem kaum positive Effekte auf die Flexibilisierung der Arbeitsorganisation und auf die Verbesserung der Services für die Bürgerinnen und Bürger.

Unterm Strich: Der Neubau bringt mehr

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte und Erkenntnisse hat sich der Kreistag klar dafür entschieden, die weitere Planung nicht in Form eines Sanierungsversuches, sondern mit Neubauten voranzutreiben. Nur so kann der Heimatstandort des Landratsamtes im Westen Friedrichshafens bestmöglich entwickelt werden.

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