Institutionelle Schutzkonzepte:
Prävention, Intervention, Rehabilitation
Wesentliche Bestandteile eines Schutzkonzeptes sind:
Kinderschutz und damit auch explizit der Schutz vor sexueller Gewalt hat in Einrichtungen und Organisationen, die mit Minderjährigen arbeiten, oberste Priorität. Das sollte im Leitbild, der Satzung oder der Ethik-Richtlinie einer Einrichtung oder Organisation deutlich werden.
Der Verhaltenskodex ist ein wichtiges Präventionsinstrument und bietet Mitarbeitenden Orientierung für einen Umgang mit Mädchen und Jungen, bei dem Grenzen respektiert und geachtet werden. Ein Verhaltenskodex formuliert Regelungen für Situationen, die von Mitarbeitenden einer Einrichtung für sexuelle Gewalt ausgenutzt werden könnten. Im besten Fall als Team gemeinsam solche Regeln und Verbote aufzustellen, erschwert die Anbahnung von sexuellem Missbrauch und schützt zugleich Mitarbeitende vor falschem Verdacht.
Ähnliche Ziele werden mit der Unterzeichnung einer sogenannten Selbstverpflichtungserklärung verfolgt.
Der Wissensstand zu sexueller Gewalt soll durch Qualifizierung aller haupt- und ehrenamtlich Beschäftigten, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, aufgebaut und mit Fortbildungen auf dem neuesten Stand gehalten werden. Erst mit ausreichendem Wissen ist es möglich, die Relevanz des Themas zu durchdringen, Sensibilität zu entwickeln und bei Vermutung und Verdacht angemessen handeln zu können.
Personalverantwortung beginnt bei einer kinderschutzsensiblen Personalauswahl. Vielfältige datenschutzrechtlich zulässige Maßnahmen, die über die wichtige Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis hinausgehen, können dabei genutzt werden. Kinderschutz gehört als Thema zum Beispiel bereits in das Vorstellungsgespräch und auch die erlaubten Fragen nach einschlägigen erfolgten Verurteilungen und laufenden Ermittlungsverfahren sollten gestellt werden. Arbeitszeugnisse sollten mit einem kinderschutzspezifischen Blick gelesen (und selbst auch so von der Einrichtung formuliert) werden.
Das Thema Prävention sollte aber auch nach der Einstellung Gesprächsgegenstand bleiben. In Teamsitzungen und Mitarbeitendengesprächen sollte die Leitung Raum für Austausch, Fragen und Anregungen geben. Zur Personalverantwortung gehört auch, im Arbeitsalltag gesetzte Standards mit kritisch-konstruktivem Blick zu begleiten und gegebenenfalls Mitarbeitende offensiv anzusprechen. Dies ist besonders wichtig, wenn der professionelle Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf Nähe und Distanz bei Mitarbeitenden problematisch erscheint oder Vereinbarungen des Verhaltenskodex nicht eingehalten werden.
Der Schritt zur systematischen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungen, die sie betreffen, stärkt deren Position und verringert das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Minderjährigen. Beteiligungsorientierte Organisationen und Einrichtungen erleichtern den Zugang zu den Kinderrechten und machen Kinder und Jugendliche kritikfähig, wenn sie Anlass für Beschwerden haben. Auch formale Mitbestimmungsgremien, wie zum Beispiel Heimräte oder Schüler/innen-Vertretungen sind wichtig, denn die positive Erfahrung mit diesen Formaten kann Kindern und Jugendlichen authentisch vermitteln, dass sie tatsächlich gehört werden und Einfluss auf die Gestaltung des Einrichtungslebens haben.
Für Kinder und Jugendliche bedeuten Präventionsangebote im Rahmen von Schutzkonzepten, dass Kinderrechte vermittelt und altersgerechte Informationen zu sexueller Gewalt und Hilfeangeboten gegeben werden.
Bildungs- und Erziehungseinrichtungen brauchen daneben ein sexualpädagogisches und ein medienpädagogisches Konzept und auch Präventions- und Informationsangebote für Eltern und andere Bezugspersonen.
Einrichtungen und Organisationen brauchen Beschwerdestrukturen, die Kinder und Jugendliche niedrigschwellig nutzen können. Beschwerdestrukturen sind ein Zeichen dafür, dass man sich darüber bewusst ist, dass Kinder und Jugendliche mit Problemen aller Art, konfrontiert sein können, bei deren Lösung die Hilfe von Erwachsenen sinnvoll ist. Dabei ist es unerheblich, ob die Ursache des Problems inner- oder außerhalb der Einrichtung liegt.
Für Leitungsverantwortliche bedeuten funktionierende Beschwerdeverfahren mehr Gewissheit darüber zu haben, dass sie frühzeitig über problematische Vorgänge, Missstände oder Fehlverhalten der Beschäftigten informiert werden und entsprechend handeln können. Für das Thema sexuelle Gewalt sollte neben den allgemeinen Beschwerdestrukturen eine konkrete Ansprechperson innerhalb und außerhalb der Einrichtung benannt werden.
Der Notfallplan ist ein schriftlich fixiertes Verfahren, das sich an den spezifischen Bedingungen einer Einrichtung orientiert und dann eingesetzt wird, wenn ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch aufkommt. In einem Notfallplan sind die notwendigen Schritte und Zuständigkeiten zur Verdachtsabklärung von Fällen sexueller Gewalt innerhalb und außerhalb der Einrichtung festgehalten Er ist ein „Wegweiser“ für besonnenes und zugleich wirksames Handeln im Sinne des Kinderschutzes und sollte immer auch ein Rehabilitationsverfahren beinhalten, falls sich herausstellt, dass ein Verdacht unbegründet war.
Darüber hinaus formuliert der Notfallplan die Verpflichtung zur Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt, damit die Bedingungen und Fehlentscheidungen, die den Missbrauch ermöglicht haben, analysiert und für die Zukunft präventive Maßnahmen entwickelt werden können.
Der Notfallplan enthält die Verpflichtung, in (Verdachts-)Fällen von sexueller Gewalt Fachleute, wie beispielsweise eigene Kinderschutzfachkräfte oder Mitarbeitende von spezialisierten Beratungsstellen, bei der Einschätzung und Entscheidungsfindung zum weiteren Vorgehen einzubeziehen. So können Fehlentscheidungen und ein Vorgehen, das den Ruf der Einrichtung über das Kindeswohl stellt, verhindert werden. Aber auch jenseits von akuten Fällen ist die Vernetzung mit externen Fachleuten bei der Erstellung von Schutzkonzepten und zur Qualitätsentwicklung im Kinderschutz wichtig.
Ansprechpartnerin für allgemeine Fragen zum Thema „Kinderschutz“ (keine Meldungen)
- Telefon
- +49 7541 204 5308
- sabrina.muenzer@bodenseekreis.de
Weitere Informationen
Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen:
https://beauftragte-missbrauch.de